Fotos: Impressionen vor dem Konzert
Diese Komposition geht von einem Zentralton "e" aus, welcher symbolisch für die "Erde" steht. Ein schwingendes Klanggebilde entwickelt sich allmählich aus dem Ton "e". Das Vocal-Oktett greift dieses anfangs wortlos auf, bis es in Textfragmente Eichendorffs übergeht.
Der Wanderer, der bei Eichendorff durch die stille Nacht geht, ist unsicher, ob er träumt oder wacht. Eichendorff kreiert Landschaften als kunstvolle Arrangements, um seelische Vorgänge darzustellen mit den Mitteln des Raumes. Ich habe mich bemüht, diesen Gedanken aufzufangen mit schwingenden sphärischen Tonmalereien.
G. Näther 2010
Im Jahre 1979 hatte ich mit einem Flötenstück + Zuspielband (damals tatsächlich noch "Schnürsenkel") die Reihe meiner
imaginären Dialoge begonnen, die bisher 10 Werke umfasst. Neu an dem sechsten Stück des Zyklus (1997) war der weitgehende Verzicht auf zugespielte, manipulierte Saxophonklänge. Eigentlich ist es nur noch das anfangs und immer wieder erklingende "fis", von dem aus sich die Klänge immer weiter wegbewegen, sowohl in Hinsicht
auf ihren Ambitus als auch auf ihre Sonoristik. Klangliche Umformungen dieses Tones machen mehr und mehr rein elektronisch erzeugtem Material Platz. Der Saxophonpart ist detailliert ausgeführt, allerdings soll der Notentext nicht als eine ultima ratio verstanden werden. Denkbar sind Interpretationen, die den Text als Anregung nehmen, mehr oder weniger frei, aber selbstverständlich im Sinne des Vorgedachten, mit ihm umzugehen. Formal entfaltet sich das Stück aus anfangs einzelnen Tönen um nach großen dynamischen Steigerungen in sparsam gesetzte Aktionen wieder zu verebben.
G. Katzer 2010
hörst du den ruf nicht
des gotts, die arme, der
stumpf & der sack, dem
eingeweidgott verfallen
dem stammler
: du hörst.
der laut ist blau
& dumpf, eine beule
unter der kopfhaut.
es quillt, es treibt
die milch aus dem rumpf
: hohe fontäne, spasmus. die
rose züngelt aus lippen.
glänzenden augs schielt sie
auf den im erdhaar
verankerten pflock
ohne mund.
(aus: Marcus Roloff "gedächtnisformate"
Gedichte, gutleut verlag, frankfurt am
main & weimar 2006)
"Die Musik reizt Nachtigallen zum Liebesruf, Möpse zum Kläffen"
(R. Schumann)
Es war Zufall, dass mir das kleine, inzwischen vergilbte Reclam-Buch mit Texten Robert Schumanns in die Hände viel, in welchem er mit seinen erfundenen Figuren, den "Davidsbündlern" (die höchst gegensätzlichen Künstlercharaktere Florestan, Eusebius und Meister Raro an der Spitze), einen lebhaften Dialog über die Kunst führt, Wahrheit und Dichtung in humoristischer Weise verbindend.
Die Komposition "k u n s t" versucht mit musikalischen Mitteln vielfältige Formen der Kommunikation zwischen Sopran, Alt, Tenor, Bass, Alt-Saxophon, Horn und Kontrabass in Gang zu setzen, wobei sich an einigen Stellen auch der Komponist Schumann zu "Wort" meldet.
S. Stelzenbach 2010
Martin Glück (Flöte), Matthias Bauer (Kontrabass), Yu-Pei Wang (Oboe), Matthias Badczong (Klarinette), Heidi Mockert (Fagott), Meriel Price (Saxophon), Minoru Hirata-Komiya (Horn), Friedemann Werzlau (Schlagzeug),
Es spielen zwei Instrumente mit fast identischem Tonvorrat, wenn auch mit unterschiedlicher Tonerzeugung. Nach allem, was man von Brüdern weiß, können sie miteinander verkettet sein und dennoch stark auseinander streben. Ich habe das Stück für Dieter Hähnchen im Duo mit Matthias Badczong geschrieben (UA bei den Zepernicker Randspielen 2008).
Der Titel ist hier etwas weniger zutreffend, da der Fagott-Part von einer "Schwester" übernommen wird (Heidi Mockert).
H. Keller 2008
Dieses Stück ist ein Traum über Abschied und Trauer. Die Zeit ist gedehnt, der Puls auf Tempo 42 verlangsamt. In einem vagen Raum aus diffusem Licht sind Stimmen zu hören. Sie scheinen artikulieren zu wollen, bringen aber nur Laute und Wortfetzen hervor. Ein, zwei mal scheint sich ein Gesang zu formen, erstickt aber zugleich. Der Kontrabass, gleichsam der Träumer, geht auf die eine oder andere Person zu, aber die Gesichter zerrinnen sofort. Orientierung ist nicht möglich, es bleibt nur ein Gefühl.
M. Bauer 2010
Das Werk entstand 2007 für die Klangwerkstatt Berlin und ist ein Auftragswerk der Musikschule Kreuzberg.
Es behandelt das Thema der Migration, in dem es die Berufung Abrahams durch Gott aus dem Alten Testament erzählt:
Abraham soll nach Kanaan auswandern, dort aber herrscht eine Hungersnot. Darauf zieht er nach Ägypten und "verkauft" mit List seine Frau Sarah, in dem er sie als seine Schwester ausgibt, dem Pharao als Frau, um dadurch Sicherheit und Reichtum in Ägypten zu erlangen. Später zieht er als reicher Mann mit seiner Frau wieder nach Kanaan. Der Pharao schenkte ihm trotz des Betruges seine Frau zurück und überließ ihm den erworbenen Reichtum...
H. Zapf 2010
Wer in die unbekannten Weiten und Höhen zeitgenössischer Vokalkunst vordringen will, muss AUDITIVVOKAL hören.
Seit 2007 entdeckt das Ensemble mit seinem Leiter Olaf Katzer das musikalische Terrain in ganz unkonventioneller Weise und verblüfft jedes neugierige Ohr.
Die 24 Sängerinnen und Sänger, die in kleinen und großen Besetzungen zusammen wirken, beherrschen neue mikrotonale Klangwelten genauso wie das gesamte Spektrum an vokalen Multiphonics. Instrumentale Partner sind dabei renommierte Klangkörper wie das Dresdner Barockorchester, die Dresdner Sinfoniker, das Ensemble Moto Perpetuo New York oder das Ensemble Interface. Seit dem Ge/su/al/do-Ge/gen/wart-Projekt entdeckt und erforscht das Ensemble auch Alte Musik und bezieht diese in seine Produktionen mit ein. Die besondere Aura des Erstmaligen und Neuen, die das Ensemble mit jährlich etwa 20 Uraufführungen entwickelt, begeistert Publikum und Fachwelt. Durch die intensive ästhetische Auseinandersetzung des Dresdner Ensembles mit den heutigen kompositorischen Sichtweisen für die menschliche Stimme und zahlreiche Kompositionsaufträge an junge wie renommierte Komponisten ist in den vergangenen Jahren die „Neue Dresdner Vokalschule“ entstanden. Die korrespondierende Zusammenwirkung mit verschiedensten Künsten und Wissenschaften ist integraler Bestandteil der künstlerischen Arbeit.
Oliver Kaden (Tenor), Fumiko Hatayama (Alt / Kontra-Alt), Cornelius Uhle (Bariton), Uta Henke (Alt / Kontra-Alt), Burkhard Kosche (Bass (Gesang)), Anna Moritz (Sopran), Tobias Mäthger (Tenor), Dorothea Winkel (Sopran),
Oliver Kaden (Tenor), Fumiko Hatayama (Alt / Kontra-Alt), Cornelius Uhle (Bariton), Uta Henke (Alt / Kontra-Alt), Burkhard Kosche (Bass (Gesang)), Anna Moritz (Sopran), Tobias Mäthger (Tenor), Dorothea Winkel (Sopran),
kein Werkkommentar
mit Anna Palimina, Cornelius Uhle
mit Anna Palimina, Katharina Salden, Alexander Bischoff, Cornelius Uhle
kein Werkkommentar
mit Katharina Salden, Alexander Bischoff
Von allen Werken des Abends äußern die Singstücke von Georg Katzer ihre politische Botschaft wohl am deutlichsten. Die von Katzer selbst verfassten Texte kritisieren mit schonungsloser Offenheit eminente Missstände der heutigen Zeit: die Normierung und Durchleuchtung des Menschen, seine (Selbst)Ausbeutung im Kapitalismus, die Sonderrolle der nicht zur Verantwortung gezogenen Banken in der Finanzkrise, die Verantwortungslosigkeit selbsternannter Eliten, aber auch die weitverbreitete allgemeine Tatenlosigkeit. Auch musikalisch zielen die Singstücke auf direkte Verständlichkeit. Ähnlich wie Schenker greift auch Katzer tradierte Mittel der Textausdeutung auf. Das Lied abends, das durch den Verweis auf das berühmte Abendlied von Matthias Claudius mit einer romantischer Nachtstimmung zugleich die Sehnsucht nach nicht vorhandener Ruhe und Frieden beschwört, ist weitgehend von einer ruhigen und kontemplativen Stimmung geprägt. Tote Fabrik ist eine bildhafte Schilderung einer Industriebrache. Auf lautmalerische Weise wird das sanfte Summen des Windes nachgezeichnet, während das nüchterne und ausdruckslose Sprechen nur noch schattenhaft an die ehemalige Werktätigkeit erinnert. In O Mensch! wird der Kontrast zwischen einer emphatischen Humanität und der maschinenhaften (Selbst)Optimierung des Menschen auch musikalisch aufgegriffen. Der eröffnende Ausruf, der auf Friedrich Nietzsches in Gustav Mahlers 3. Symphonie kongenial vertontes Nachtwandler-Lied anspielt, ist eine nachdrücklich gesungene Forderung nach Individualität und Menschlichkeit. Demgegenüber wird die Diagnose einer technizistischen Gegenwart auf nüchtern und kühl gesprochene Weise vorgetragen. Im Gegensatz zu diesen klassischen Formen der Textausdeutung geht Katzer in Stimmungslied und schöngefärbt einen anderen Weg. Die in einem gutmütigen Dreivierteltakt schwingende Musik des Stimmungslieds oder die jazzig anmutenden, groovenden Rhythmen in schöngefärbt konterkarieren die schonungslose Kritik des Textes mit einer beinahe an Kurt Weills Brecht-Vertonungen gemahnenden Weise. Der Verfremdungseffekt der (zu) schönen Musik wird zum Ausdruck eines beißenden Sarkasmus. Katzers dreistimmige Kompositionen entstanden 2010 im Auftrag der Neuen Vocalsolisten Stuttgart für das Projekt „Escalier du chant“, das der Künstler Olaf Nicolai im Jahr 2011 initiierte. Dafür hatten 12 Komponisten jeweils Lieder zu aktuellen politischen Ereignissen komponiert. Die Aufführungen fanden zu verschiedenen Zeiten auf der Treppe der Pinakothek der Moderne in München statt, ohne vorher angekündigt zu werden. Durch das Verlassen des Konzertraums ließen sich also auch zufällige Besucher*innen erreichen, was gerade der irritierenden Widersprüchlichkeit zwischen Text und Musik in Kompositionen wie Stimmungslied und schöngefärbt eine verschärfte Brisanz verlieh.
mit Jonas Finger, Cornelius Uhle, Felix Schwandtke
kein Werkkommentar
mit Anna Palimina, Katharina Salden, Bernadette Beckermann, Jonas Finger, Cornelius Uhle, Felix Schwandtke
kein Werkkommentar
mit Katharina Salden, Alexander Bischoff
mit Anna Palimina, Cornelius Uhle
Two texts from: POEMA DEL CANTE JONDO (1931) (POEMA DE LA SEGUIRIYA GITANA)
FEDERICO GARCÍA LORCA (1898-1936)
In seinem „Poema del Cante Jondo“ kann Lorca mit seinen Versen die tiefsten Aspekte der Flamenco-Kunst durch eine poetische und naturalistische Symbolik erklingen lassen. In diesem Stück habe ich nach einer Polyphonie von zwei Texten und drei Stimmen mit ihren jeweiligen Räumen gesucht. Es handelt sich um eine Dramaturgie der Gegensätze zwischen dem Schrei und der Stille: konstitutiven Elementen der menschlichen Natur, die im Flamenco-Gesang aufeinanderstoßen, zusammenlaufen und einander imprägnieren. Auf diese Weise können verschiedene Ebenen der Verzierung und Komplexität der Klangschwingungen erzeugt werden, die den Raum zwischen der nie leeren menschlichen Stille und dem Schrei sowie ein Spiel der Wahrnehmung der in Bewegung befindlichen Stimmen, erforscht.
mit Anna Palimina, Katharina Salden, Alexander Bischoff, Cornelius Uhle
kein Werkkommentar
mit Anna Palimina, Katharina Salden, Alexander Bischoff, Cornelius Uhle
Das Stimmen von Stimmen artikuliert eine Beziehung zwischen unterschiedlichen Körpern. Es kann sie durch unisono binden oder durch mikrotonale Verschiebung ihre Unterschiede verstärken. Und die Resonanz der Stimmen selbst spiegelt den physischen Raum wider, in dem sie sich befinden. „Lichen Verses“ stellt eine Situation vor, in der die Reinheit dieser Beziehungen verschleiert wird, um die Körper der Erde näher zu bringen. Patina-Schichten verkalken sich zusätzlich zu den Singstimmen, während sie sich bemühen, eine verlorene Einheit und Intimität zu artikulieren.
Dieses Stück basiert zum Teil auf dem Gedicht "Blood Soil" von Elsa von Freytag-Loringhoven (1874-1927). Das Gedicht zeigt einen resonanten Klang, der auf verschiedenen Oberflächen einer Hirtenlandschaft reflektiert wird. Ein Prozess, der paradoxerweise zu menschlichen Emotionen zusammenwächst.
mit Anna Palimina, Katharina Salden, Alexander Bischoff
Meine Komposition „Simarar kos malzipempu“ entstand aus dem Wunsch, das bekannte, sinnlose Gedicht Christian Morgenstern’s „Das große Lalula“ für ein vokales a cappella Ensemble zu vertonen: der Titel des Stückes entstammt der 3. Strophe des Gedichts.
Die Stimmen bewegen sich im Rahmen einer Fantasie-Klangwelt: surrealistische Momente entstehen und werden weiter umgeformt. Die Kausalität zwischen den einzelnen Klangereignissen wird weiterverfolgt: dadurch entsteht eine feine, zerbrechliche Beziehung zwischen den einzelnen Teilen. G.I. mit Anna Palimina, Katharina Salden, Bernadette Beckermann, Jonas Finger, Cornelius Uhle, Felix Schwandtke
kein Werkkommentar
mit Katharina Salden, Alexander Bischoff
Am Ende des Konzerts steht Friedrich Goldmanns Vertonung von Paul Flemings philosophischer Betrachtung des Wesens der Zeit. Ähnlich vielgestaltig und rätselhaft wie das Verhältnis des Menschen zum Phänomen der Zeit ist auch die Beziehung der beiden Singstimmen zueinander, die bisweilen beinahe oder exakt zusammentreffen, sich abwechseln und noch als jeweils Abwesende aufeinander Bezug nehmen. Zwischenzeitlich imitieren sie einander wörtlich, doch nicht im selben Rhythmus, was eine grundlegende, doch kaum merkliche Wesensverwandtschaft enthüllt, während die von den Sänger*innen gespielten Holzblöcke den Zeitschlag, das Vergehen der Zeit symbolisieren, ohne dabei jedoch einen regelmäßigen Puls auszubilden. Mit Goldmanns Vertonungen des barocken Lyrikers spannt sich ein Bogen über das ganze Konzert, der in einer Gelassenheit trotz widriger Umstände seinen Anfang nimmt und mit einem Ausblick auf „jene Zeit, die ohne Zeit ist“ schließt. Mit dieser überzeitlichen philosophischen Reflexion erfährt die Fokussierung der gesellschaftspolitischen Bezüge eine entscheidende Weitung.
mit Anna Palimina, Cornelius Uhle